Ein unprofessionelles Plädoyer fürs Fahrrad

Ich bin Uli, einer der gern Rad fährt. Bin aber keiner, der mal eben die Alpen quert – wie andere aus unserem Verein. Ich fahre hobby-mäßig. Obwohl hobby-mäßig auch nicht ganz richtig ist.

Denn in den so genannten Hobby-Klassen unserer schönen Sportart gibt es etliche, die die oben erwähnten Alpen flugs mal queren. Also bin ich ein Hobby-Hobby-Fahrer, einer der gemütlich die Berge und Hügel mit dem Mountainbike rauf und runter cruist.

Fahrradfahren fand ich von meinem 12. bis zum 40. Lebensjahr ziemlich unsexy. Wahrscheinlich, weil ich früher einen ewig langen Schulweg hatte, deshalb früh aufstehen musste, um per Rad pünktlich im Unterricht zu sein – wobei pünktlich relativ war. Egal. Das tut hier nichts zur Sache. Mein Fahrrad-Boykott hielt eine Weile.

Bis zum 40. Geburtstag. Der war einschneidend. Wenn 40-Jährige Fußball spielen, macht das keinen guten Eindruck. Zu ungelenk und staksig. Und staksig aussehen, ist nicht gut. Kacheln im Schwimmbad zu zählen, hatte ich keine Lust, also kaufte ich mir ein Rad. Ein Tourenrad.

Mein Kumpel Thorsten B. nahm mich mit auf die Piste. Erst war ich skeptisch, später angefixt. Danach fuhr ich ständig. In die Wälder unseres Landreises, die Hügel hinauf und hinab. Und stellte nach eine Weile fest, dass im Gelände das Tourenrad an seine Grenzen stieß (oder ich an meine). Ich gönnte mir ein Mountainbike. So ist das Radfahren eine Leidenschaft geworden.

Wandern ist ja auch schön. Aber zu Fuß kommt man nicht so weit herum. Wenn ich im Auto mit Freunden unterwegs bin, wundern die sich oft, was für abgelegene Straßen und Strecken ich kenne. Alles durchs Radfahren.

Vor ein paar Tagen hatte ich schlechte Laune. Richtig schlechte. Die Arbeit nervte, Kim Jong Un wollte den zigsten Atomkrieg anzetteln, Trump auch. Obendrein stimmte etwas mit dem Abfluss im Gästeklo nicht, und ich bekam keinen Klempner.

Ich setzte mich aufs Rad und fuhr los. Erst nach Lechstedt, dann hoch zum Brockenblick, über Söhre zum Forsthaus und den Tosmarberg hinauf. Oben am Kreuz hockte ich mich auf eine Bank, schaute ins Tal: was für ein Ausblick.

Die Anstrengung, der Kreislauf, der auf Touren kam, die frische Luft, die Natur – keine Ahnung warum, aber mein Ärger war wie weggeblasen. Nicht einmal das Pärchen auf der Bank nebenan brachte mich noch aus der Ruhe.

Obwohl die Frau unaufhörlich quatschte: „Also, wenn wir die Küche streichen, können wir doch auch gleich den Flur und das Gästezimmer – oder? Und das Parkett müsste abgeschliffen werden.“ Ihr Mann hatte wohl auf Durchzug geschaltet und sagte immer nur „Ja“. Wie leichtsinnig! Viel Spaß bei Obi. Gibt es eigentlich Treuepunkte im Baumarkt?

Nach einem Umweg über den Griesberg hatte ich genug. Jetzt noch ins Bad Salzdetfurther Eiscafé: Spaghetti-Eis und einen Espresso bei Dolce Vita. Was juckt mich da noch die Arbeit, Kim Jong Un, Trump oder der Klempner?

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