Paul Haas aus unserem Klub hat vor kurzem die lange Strecke der Flandernrundfahrt als RTF gemeistert – es war ein ziemlicher Ritt. Er selbst schrieb einen Bericht über seine Erfahrungen auf dieser legendären Renn-Tortour. Aber lest selbst:
Von Paul Haas
Am 4. April bin ich die Langstrecke der Flandernrundfahrt-RTF gefahren. Die RTF bietet die Möglichkeit, die gesamte Strecke der Ronde van Vlaanderen oder Teile davon vor dem eigentlichen Rennen zu fahren. Die Profis fuhren die Ronde dann am folgenden Ostersonntag (5. April). Die lange Strecke führte laut Ausschreibung über 256 Kilometer, die kürzeren über 71 und 127 Kilometer. Es ging von Brügge aus auf Asphaltstraßen zu den berüchtigten Hellingen, dann folgten steile Anstiege, die Kasseien, Kopfsteinpflaster-Passagen, das musste die Fahrer um Oudenaarde herum, bevor sie dort auch das Ziel erreichten. Die Anstiege waren mit Kilometerangaben versehen auf dem Marschplan hervorgehoben. Dieses Jahr waren alle Startplätze vergriffen und insgesamt etwa 16000 Fahrer für die drei Distanzen gemeldet.
Paul Haas beim Anstieg auf Kopfsteinpflaster.
Für mich begann die Flandernrundfahrt mit einer Irrfahrt durch Brügge zur Startnummernausgabe bei fünf Grad Celsius und Nieselregen, der entgegen der Vorhersage immer stärker wurde. Um 8.15 Uhr startete ich dann auf dem Marktplatz und konnte schnell zu kleineren Gruppen aufschließen. Die Teilnehmer sollten möglichst Radwege nutzen, was durch Hindernisse und interessante Wegführungen die volle Aufmerksamkeit forderte. Langsam wurde es heller, aber die ersten 100 Kilometer blieben regnerisch und grau. Neben den üblichen Getränken, Sportriegeln, Bananen und Orangenscheiben gab es an den Verpflegungsstellen belgische Leckereien wie Waffeln und Honigbrot. Mir war jedoch zu kalt, um dort länger zu verweilen, so dass ich versucht habe, mich durchs Fahren wieder aufzuwärmen. Insgesamt habe ich die Verpflegungen aufgrund der guten Auswahl später sehr gut genutzt. Sowohl der Wolvenberg als auch der Valkenberg waren asphaltiert. Alle anderen Anstiege waren mit Kopfsteinpflaster unterschiedlicher Güte versehen, die irgendwo zwischen geschmeidiger Rumpelei und den Paris-Roubaix-Kinderköpfen angesiedelt war. Die noch feuchten Kopfsteinpflasteranstiege führten bei unvorsichtiger Fahrweise zu durchrutschenden Hinterrädern. Das Abtrocknen wurde aber durch Wind und die hervorkommende Sonne beschleunigt. Die Spuren an den Anstiegen waren nach Schildkröten (langsamere Fahrer solltem sich rechts einordnen) und Hasen (schnell, links) sortiert, so dass jeder sein Tempo fahren konnte. Bei der vorletzten Verpflegung nach 178 Kilometer schien dann endgültig die Sonne, und es ging auf den Koppenberg zu. Diesen Anstieg mit maximal 22 Prozent Steigung laufen sogar während des Profirennens einige Fahrer, da dieser schmale Hohlweg meist mit einer leichten Schlammdecke versehen ist. Viele straucheln hier. Gerade als ich die Hoffnung hatte, den ganzen Anstieg fahrend zu bewältigen, kamen einige Konkurrenten vor mir aus dem Gleichgewicht und blockierten die Bahn, so dass ich ebenfalls absteigen musste. Abgesehen von einzelnen Fahrern, die durchkamen, rutschten viele auf ihren Pedalplatten den Anstieg hinauf. Nach einigen kleinen weiteren Anstiegen, an denen ich mich einer Frau auf einem E-Bike geschlagen geben musste, kam endlich die letzte Verpflegung – nur noch die letzten beiden Hellingen warteten auf mich. Der Oude Kwaremont war zwar nicht steil, aber zog sich dafür in die Länge. Der Paterberg war kurz, aber dafür steil. Hier hatte sich Fabian Cancellara 2013 von Peter Sagan abgesetzt – dieses Solo leitete seinen zweiten Sieg bei der Flandernrundfahrt ein. Die Hobbyfahrer schlichen diesen Berg nach 225 Kilometer eher hinauf und einige liefen vor Erschöpfung. Die Elite-Fahrer fuhren die letzten beiden Anstiege am Sonntag zweimal hintereinander. Anschließend führte die flache Straße über offene Felder und durch kleinere Ortschaften auf die Allee zur offiziellen Zieldurchfahrt, die einige Fahrer für einen Sprint nutzten. Kurz nach 19 Uhr hatte ich die Ronde dann bei dem Zielort für die RTF beendet. Hier gab es Duschen, Massagen und vieles weitere.
Der Renn-Tag begann mit Nielsenregen und fünf Grad – später wurde es aber wärmer. Fotos: Sportfotograf.com
Das Teilnehmerfeld war international und die Organisation sehr professionell. Aber ohne die vielen freiwilligen Helfer könnte das Rennen nicht stattfinden – die Bevölkerung in Flandern ist eben sehr Radsport begeistert. Der Service durch Shimano war an verschiedenen Stellen präsent. Man erhielt schnell kleinere oder größere Hilfsleistungen ohne die unerfreulichen Zwischenfälle vom Sonntag. Ich kann diese Veranstaltung Frühjahrsklassikerfreunden sehr empfehlen, da man dann erst die Rennen richtig nachvollziehen und Radsportgeschichte erfahren kann. Das Frühjahrswetter mit Regen, Wind und zwischendurch etwas Sonnenschein rundete das Ganze ab. Mein Wehmutstropfen war die darauffolgende Erkältung, wegen der ich leider nicht an der Paris-Roubaix Challenge teilnehmen konnte. Das will ich aber im nächsten Jahr nachholen.
Videos vom Rennen gibt es unter https://www.sport.be/rondevanvlaanderen/2015/en/mypage/?bibnumber=2603&mailing=true.