Silk Route Brevet 2016

Nach 280 km Gegenwind endlich wieder in Samarkand

Wenn andere vom Rad steigen, hat sich unser Klubmitglied Magnus gerade erst mal warm gefahren! Für Magnus geht es immer auf die richtig langen Strecken. Nachdem er 2015 bei Paris – Brest – Paris am Start war, musste eine neue Herausforderung her. Im Oktober startete Magnus beim Silk Route Brevet in Taschkent über eine Strecke von 1.200 km! Ihr ahnt es bestimmt, sein Erlebnisbericht ist etwas länger! Da ist Ausdauer gefragt, auch beim Lesen:

Endlich ist es soweit: nach drei spannenden Tagen in Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, geht es endlich los. Ich stehe mit 14 weiteren Mitstreitern aus Italien, Russland, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Belgien und Usbekistan um 6:00 Uhr Morgens am Start. 

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Start im Art Hostel, Taschkent, morgens um 6:00 Uhr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach einer kurzen Ansprache vom Organisator Rafhat geht es die ersten Kilometer durch die glücklicherweise noch relativ leere Innenstadt von Taschkent hinaus zur Stadtgrenze und vorbei an dem ersten Militärcheckpoint. Vorbei an endlosen Baumwollfeldern, an denen uns die Erntearbeiter*innen  jedes Mal anfeuern, erreichen wir CP1 nach 65km in Buka. es ist Halb neun morgens und wir bekommen einen traditionellen usbekischen Frühstücksbrei und Tee. Nachdem wir unsere Trinkflaschen aufgefüllt haben, beschließen David, ein auf Fahrradweltreise fahrender Brite, und ich gemeinsam weiter zu fahren.

Erster CP, Haferbrei, Tee und der erste Stempel

Erster CP, Haferbrei, Tee und der erste Stempel

Wir unterhalten uns und fahren über erstaunlich gute und ruhige Straßen, als wir hinter uns ein lautes Quietschen hören: ein

Erntearbeiter auf einem alten Dreigangrad und gerade noch funktionierenden Laufrädern (zehn achten) sprintet hinter uns her und holt uns schließlich ein – wir sind mit ca. 28km/h unterwegs :D.

Wir machen Fotos zusammen und fahren noch ein Stück zusammen bis zum nächsten Militärcheckpoint, dann trennen wir uns.

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David und ich auf dem Weg Richtung CP2

Von hinten kommt schließlich eine größere Gruppe und ich beschließe mich trotz des erst etwas zu hohen Tempos einzureihen. Nach 225km erreichen wir den CP2 in Jizzax am Nachmittag. Die letzten 70km bis zum CP2 führten über eine relativ neue “Autobahn”, der Verkehr wurde deutlich dichter aber bis auf einen Busfahrer der uns fast platt gemacht hatte, fühlte man sich nie unsicher, die Anfeuerungsrufe aus jedem 2. Auto trugen sicherlich dazu bei!

Am CP2 gab es erst mal ein ordentliches Mittagessen: Salat, Brot und Plov, das usbekische Nationalgericht aus sehr fettigem Reis, Gemüse und für Fleischesser mit Lammfleisch.

Auf dem Weg übers Mittelgebirge Richtung Samarkand

Auf dem Weg übers Mittelgebirge Richtung Samarkand

Vom CP2 zu CP3 in Samarkand waren es nur 100km, leider führten die über ein Mittelgebirge und es führte  erst mal relativ sportlich, mit 14km, bergauf. Die Straße wurde schmaler und der Verkehr nicht weniger und mit einsetzender Dämmerung beschlossen wir in unserer 7-köpfigen Gruppe, dass es wahrscheinlich sicherer wäre die Nacht nicht durchzufahren und stattdessen eine längere Schlafpause zu machen. Wie sich später herausstellen sollte, war es eine gute Entscheidung, ab jetzt wurden die Straßen die Hölle und ich wünschte mir teilweise ein leichtes Racefully ;).

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Ab hier ging es straßenbelagstechnisch steil bergab

Morgens um 5 Uhr fuhren wir nach einem kleinen Frühstück in Samarkand los. CP3 lag in Samarkand direkt neben dem Emir von Samarkand, einem alten Palast und so fuhren wir durch die verlassenen Straßen Richtung CP4. Die Entfernung betrug wieder nur 100km und nach den ersten 40 an diesem Morgen rechneten wir damit, in max. 4h dort zu sein. Leider änderte sich das nach einem Militärcheckpoint schlagartig, als die relativ gute Teerpiste in 40 Jahre alte sowjetische Betonpiste wechselte und nur noch Schrittgeschwindigkeit angesagt war. Selbst die Autos fuhren nicht schneller als 20km/h, und nach endlosen 40km wurde die Straße wieder einigermaßen befahrbar. Die letzten 20km bis zum CP4 erholten wir uns und rollten schließlich in ein usbekisches Restaurant und bekamen eine riesen Portion Plov, Nudeln und Salat mit Brot.

Als wir starteten traf gerade eine italienische Reisegruppe ein, die uns ungläubig ausfragten und uns später im Reisebus Richtung Bukhara überholten.

Die Strecke vom CP4 zum CP5 betrug 165 km, davon 100 mit relativ gutem Belag durch die Wüste und nochmal 60 km mit deutlich schlechtem Betonbelag Richtung Bukhara. Die ersten 100 km verliefen unproblematisch, wir wechselten uns in einer 6 köpfigen Gruppe mit der Führungsarbeit gut ab und passierten eine alte Karavanserei, eine alte Erholungsstätte für Karavanen, und genossen die karge Wüstenlandschaft. Beim Wechsel auf die Betonpiste legten wir nochmal eine Mittagspause ein und füllten die Trinkflaschen auf. Da auf der Holperpiste jeder sein eigenes Tempo fuhr und es erste Ausfälle gab,  zerriss sich die Gruppe etwas und ich war erst mal alleine vorne unterwegs. Von hinten kam schließlich wieder David, der mit seinen 40 mm Reifen deutlich schneller war als die Gruppe, wieder zu mir auf und wir fuhren zusammen durch Bukhara zum CP5.

Ruinen einer Karavanserei zwischen CP4 und CP5

Ruinen einer Karavanserei zwischen CP4 und CP5

Meine Beine waren den Umständen entsprechend gut und so beschloss ich nach einer kurzen Pause direkt wieder loszufahren. Leider machte mir Danill, einer der Organisatoren einen kleinen Strich durch die Rechnung. Bukhara war nach etwas über 600 km der Wendepunkt der Tour, das heißt alle CP’s wurde jetzt in umgekehrter  Reihenfolge wieder angefahren. CP6 lag demnach wieder 165 km zurück in der Wüste, und war nachts nicht besetzt. Die einzige Möglichkeit bestand darin, direkt 280 km nach Samarkand zu fahren, was ich aber ohne Auffüllmöglichkeiten in der Nacht für etwas riskant hielt. Nach einigen organisatorischen Absprachen fanden wir  heraus,  dass der CP6 ab 6 Uhr morgens wieder besetzt war und wir nun erstmal 4 h Pause zum schlafen hatten.

Ich startete wie geplant gegen 0:00 Uhr und fuhr durch die beeindruckende Innenstadt von Bukhara. Ein leichter Wind war zu spüren,  wobei ich mir erst mal nichts dabei dachte und hoffte, dass es nicht schlimmer wurde bzw. dass sich dieser noch drehte.

Richtung Stadtgrenze unterwegs, fuhr auf einmal ein Wagen neben mir her. Der Fahrer sprach mich an und nachdem ich gesagt hatte, wo ich herkam hielt er an und fragte mich im fließenden Deutsch wo ich herkomme, was ich um 0 Uhr nachts in Usbekistan auf dem Fahrrad mache und wo ich hinfahre. Wir tauschten die gängigen sozialen Medien aus und ich fuhr weiter Richtung Wüste.

Als ich die Stadt verließ wurde der Wind spürbar stärker, die Betonpiste war zum Glück nicht so ausgefahren wie befürchtet und so konnte ich mit relativ hohem Tempo, die nachts vor mir gestarteten Fahrer wieder einholen. Nach ca. 40km erreichte ich David und wir fuhren wieder ca. 40km zusammen gegen den nun wirklich starken Gegenwind. Nach mehreren Schlauchwechsel-Pausen von David hatten wir gegen 5 Uhr morgens leider keine Schläuche mehr und waren zum flicken gezwungen. Da der Wind nun extrem wurde und es immer kälter wurde, beschloss ich alleine weiter zu fahren und hoffte von hinten wieder eingeholt zu werden.

Langsam ging die Sonne auf und die Motivation alleine weiter zu fahren, ging langsam gegen null. Seit 6 h nur Gegengenwind und geringen Geschwindigkeiten von 15-20 km/h. Ich war froh als ich CP6 mit 3 h Verspätung erreichte und gönnte mir ein großes Frühstück, inklusive Powernap.

Als ich nach 20 Minuten aufwachte, war draußen die Hölle los: ein Sturm tobte und wirbelte Staub und Sand auf. Ich wartete an der Station noch ca. eine Stunde und hoffte, dass eine Gruppe von hinten kam, leider kam keiner.

Ich fuhr los und musste erst mal das Visier meines Helms und ein Schlauchtuch übers Gesicht stülpen,  da es sonst vom Sand her nicht möglich gewesen wäre zu fahren. Der Tacho zeigte immer irgendwas deutlich unter 10 km/h an und ich rechnete mir schon aus, dass ich bis zur nächsten Station 10h mit Gegenwind benötigen würde.

Auch die Straßen in dem Teilstück waren besser als auf dem Hinweg und so konnte man wenigstens einigermaßen fahren. Ich hoffte immer noch , dass mich jemand von hinten einholte und machte alle 5 km Trink- und alle 10 km Essenspausen. Leider kam immer noch keiner und als das Auto vom Veranstalter an mir vorbeifuhr um Fotos und Videos zu machen wurde mir gesagt, dass ich die letzten 30 km durchfahren solle, die nächsten Fahrer wären 50 km hinter mir…

Nach insgesamt 7 h für 100 km erreichte ich Samarkand zum 2. Mal. Zum Schluss habe ich immer versucht, hinter alten Militärlastern Windschatten zu bekommen und konnte so Teilstücke immer mit ca. 35-40 km/h fahren.

Nach 280 km Gegenwind endlich wieder in Samarkand

Nach 280 km Gegenwind endlich wieder in Samarkand

In Samarkand war ich der erste,  der das Hostel erreichte und aß erstmal ordentlich. Artur aus Rotterdam, der mit einem Rennliegerad unterwegs war und die Nacht durchgefahren war, kam eine Stunde nach mir an. Ich hatte ihn wohl, als er im Restaurant saß, unbemerkt überholt. Wir checkten später den Wetterbericht und beschloss gegen 3 Uhr nachts, wenn der Sandsturm nachgelassen hatte, die Fahrt Richtung Taschkent fortzusetzen.

Nach fantastischen 7 h Schlaf erwachte ich und ging zum Frühstück. David war 5 h nach mir angekommen und wollte nun nach 2 h Schlaf die Fahrt wieder fortsetzen.

Wir starteten zusammen und fuhren bei Sonnenaufgang über das Mittelgebirge Richtung CP8. Ein Großteil der Strecke ging es spürbar bergab, sodass wir relativ ausgeruht dort ankamen. Unser Organisator Danill musste extra per Anhalter früher los, um vor den ersten Fahrern an der Stempelstelle zu sein.

Die Sonne ist aufgegangen, kurz vor CP8

Die Sonne ist aufgegangen, kurz vor CP8

Nach einer großen Portion Gemüsesuppe (nach 2 Tagen Plov braucht man wirklich etwas anderes) ging es für uns beide weiter Richtung Taschkent. Die “Autobahn” war so früh morgens noch relativ verlassen und so konnten wir in Ruhe und mit ordentlichem Tempo die ersten 70k m runterbügeln. Am Militärcheckpoint kauften wir für 70 ct. die beste Melone unseres Lebens und luden spontan den ganzen Verkaufsstand ein, mitzuessen. Nach einer ganzen Menge Fotos ging es schließlich weiter zum letzten CP. Nach Verlassen der gut ausgebauten Straße setzte bei David ein kleines Tief ein. Wir fuhren zusammen weiter bis CP9, dort war er so platt dass wir erst mal eine längere Pause einlegen mussten. Leider waren wir insgesamt trotzdem etwas zu flott und so war leider keiner der Organisatoren oder Helfer vor Ort im Restaurant, um übersetzen zu können.

Nachdem wir mit Händen und Füßen etwas bestellt hatten, musste ich leider feststellen dass ich nun 65 km vor dem Ziel den einzigen Defekt der Tour bekommen habe: einen Platten am Vorderrad wegen einem Dorn im Reifen. Der Schaden war schnell behoben und angetrieben von der baldigen Zielankunft fuhren wir erstaunlich schnell Richtung Stadtgrenze Taschkent.

Wir erreichten Taschkent in der Dunkelheit und kamen voll in den Feierabendverkehr dieser Millionenstadt. Die Fahrgewohnheiten sind schon als Beifahrer im Auto gewöhnungsbedürftig aber mit dem Fahrrad auf einer 12 spurigen Stadtautobahn links abzubiegen ist dann doch eine Spur abenteuerlicher.

Die letzte Stunde des Silk Rout Brevets war mit Sicherheit die mit dem höchsten Stressfaktor. David und ich erreichten das Ziel in Taschkent schließlich als erste nach ca. 84 h.

David und ich nach 84h am Ziel

David und ich nach 84h am Ziel

Fazit/Zusammenfassung:

Das Silk Route Brevet ist eine undglaublich spannende Veranstaltung, nicht zu vergleichen mit Veranstaltungen wie Paris-Brest-Paris oder ähnlichem. Die Strecke ist trotz der relativ wenigen Höhenmeter (ca. 4000hm) extrem anspruchsvoll, alleine die teilweise sehr schlechten Straßen fordern immer höchste Konzentration. Sportlich orientierte Radfahrer sind Exoten im Straßenverkehr und für die Autofahrer dort oft ungewohnt.

Insgesamt ist Usbekistan ein wirklich spannendes Land. Die Menschen sind extrem gastfreundlich und hilfsbereit. Vor der Reise macht man sich schon Gedanken wie das ablaufen wird und im Bekanntenkreis bekommt man oft zu hören dass man die Nummer eh nicht überlebt bzw. mit Sicherheit ausgeraubt wird.

Ich habe eher das Gegenteil erlebt und fühlte ich nach wenigen Tagen “wie zuhause”, und fuhr per Anhalter durch Taschkent.

Nach drei Tagen fettigen Reis als Abwechslung eine dicke Pizza :)

Nach drei Tagen fettigen Reis als Abwechslung eine dicke Pizza 🙂

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