RALLY DI ROMAGNA: Biken in Italien ist anders

Thomas Reich von Bike-Sport bekommt immer noch Gänsehaut, wenn er an das MTB-Etappenrennen “Rally di Romagna” in Italien denkt. Er berichtet von dem Wettbewerb in verschiedenen Kapiteln – hier nun der Zweite:

Das (sportliches) Radfahren in Italien einen ganz anderen Stellenwert geniesst als bei uns wurde mir schon beim Einchecken im Hotel auf angenehme Weise deutlich als mich die kompetente Rezeptionistin freundlich darauf hinwies, dass ich mein Bike mit aufs Zimmer nehmen könne und wo der Schlauch für den Bikewash zu finden sei. So manövrierte ich alsbald das Speedfox durch das in freundlichem fleckenlosen Gelb gehaltene Treppenhaus in den ersten Stock und achtete dabei tunlichst darauf, nirgends anzuecken. Die Mühe hätte ich mir wohl sparen können, denn als nach den 5 Tagen alle rennfahrenden Gäste wieder abgereist waren verlangte das Treppenhaus nach der nächsten Renovierung.

 

Der erste Renntag war nochmal zum Eingewöhnen gedacht, die Etappe war nur 15 km lang und wurde erst am Nachmittag in einem außerhalb gelegenen Steinbruch am Monte Tondo gestartet. Vorher konnte man im Ortszentrum von Riolo Terme bei Start und Ziel die Anmeldeformalitäten erledigen, Nudeln und Eis essen, sich unter die anderen der ca. 250 Starter mischen und schon mal erste Kontakte knüpfen. Die Stimmung war entspannt bis ausgelassen, die beiden Organisatoren Stefano und Davide hatten für jeden Teilnehmer ein paar freundliche Worte übrig und herzten bereits bekannte Teilnehmer. Da die Welt bekanntlich oft sehr klein ist konnte ich unter den Anwesenden auch unseren Vereinskameraden Marvin Augustyniak begrüßen sowie eine kleine Abordnung vom Biketime Race Team aus Hannover, die mich für die 5 Renntage freundlich aufnahmen.

Bei der gemeinsamen Anfahrt aller Fahrer/innen zum Start der Etappe konnte man wieder die Effizienz der geordneten Unordnung italienischer Organisation hautnah erleben, alle Mann im Pulk und auf voller Breite auf die (nicht abgesperrte) Landstraße, bei der Abfahrt begleitet von trillerpfeifenden Polizisten am Wegesrand, dann Motorräder voraus und alles was entgegenkommt ab in den Straßengraben. Da der eine oder andere Auto- oder Motorradfahrer aber doch weiter wollte gab es immer wieder Wellenbewegungen im stockenden Feld, wenn es sich verengte, um zentimeternah am Hindernis vorbeizufließen, alles ohne Hektik oder gefährliche Situationen.

Hektik kam dann natürlich wieder im Rennen auf, obwohl dies ja nur der kleine Aufgalopp für größere Herausforderungen sein sollte. Ruckzuck war der Puls am Anschlag, von der beeindruckenden Szenerie ringsum bekam ich nur aus den Augenwinkeln etwas mit, da der Blick auf die Strecke und das Renngeschehen konzentriert war. Nach der ersten Eingroovephase und 4 Kilometern war dann erstmal Schluß mit Volldampf als es hieß bergauf einen Singletrail zu meistern, der auch bergab eine fahrtechnische Herausforderung dargestellt hätte. Also alle absteigen und schieben, immer schön hintereinander, denn vorbeikommen war nicht.

Singletrail: das hiess hier und in den folgenden Tagen wirklich single trail, einfache Fahrspur, oft nur handtuchbreit, rechts und links kein Durchkommen, begrenzt durch Fels, Geröll, Unterholz, Bäume oder gähnenden Abgrund. Nicht zu vergleichen mit vielen Singletrails bei uns, wo man meist noch neben der Strecke überholen kann bzw. in kniffligen Situationen einen halbwegs „komfortablen“ Sturzraum vorfindet.

Zum Glück musste ich letzteren heute nicht in Anspruch nehmen und konnte statt dessen das Rennen anschließend mit Genuss zu Ende führen, denn es wartete noch ein Streckenabschnitt auf einem baumlosen Grat mit weitem Blick in die Landschaft der Emiglia Romagna auf uns. Beflügelt durch die wunderbaren Ausblicke im Licht der Abendsonne war auch noch ein Zielsprint drin, den ich zufälligerweise mit 4 Sekunden Vorsprung auf den Nächstplatzierten in meiner Altersklasse erfolgreich auf dem 3. Platz abschließen konnte.

Dann zum ersten Mal der Post-Race Ablauf, wie er in den folgenden Tagen zur lieben Gewohnheit werden sollte: Zielverpflegung runterschlingen (Früchte, Gebäck, Cola, Eis etc.), Nachbesprechungen führen, Bike waschen, Transfer ins Hotel, relaxen und dann Abendessen!!! Startschuss dazu: 19:30 Uhr, vorher scharren schon alle hungrig mit den Hufen, lungern in der Hotellobby vor dem Speisesaal herum, blättern in den vor Kurzem eingetroffenen Ergebnislisten,bis es dann endlich soweit ist und wir Platznehmen können. Vorab Kleinigkeiten vom Buffet: Gemüse, Salate, Minipizzen, Antipasti … erstmal Grundlage schaffen. Dann der am Vortag gewählte Nudelgang (primo), direkt von der Platte serviert bis zum Abwinken. Anschliessend secondo, Fisch oder Fleisch wie gewählt, hinterher noch ein kleiner Nachtisch, meist in Kuchenform. Uff, jetzt erstmal die Spezialitäten der Romagna sacken lassen und im letzten Abendlicht in den Ort spazieren. Ein Caffe und ein Eis passen natürlich noch rein, so dass man hinterher mit rundem Kugelbauch ins Bett fällt. Das abendliche Völlegefühl sollte übrigens nur zu Beginn der Veranstaltung Probleme bereiten, in den folgenden Tagen waren der Kalorienzufuhr im Prinzip keine Grenzen mehr gesetzt.

Fortsetzung folgt

Video vom ersten Tag:

https://www.youtube.com/watch?v=xWXU8VuoOAI

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