Weiter, oder besser los geht´s für Thomas! Die erste Etappe stand an und die ging gleich in die Vollen. Hier sein Bericht:
Freitag, 2. Juni – il primo giorno Massa, Piazza degli Aranci, acht Uhr morgens – heute wird es ernst. Der bereits in der Sonne gleißende Platz füllt sich langsam mit Fahrern. Muntere Gespräche erfüllen die noch frische Luft, man verabschiedet sich von Bekannten oder Familienangehörigen, schießt ein paar Fotos oder trinkt einen letzten Café. Ich weiß nicht, wie es den Anderen geht, mir ist aber angesichts der anstehenden Etappe etwas mulmig zumute. Das Höhenprofil der ersten Kilometer spricht Bände, gleich wird es hier von Meereshöhe erstmal auf knapp 1000 m hochgehen und dann muss man sich entscheiden, ob, nachdem man die 1000 m fast ganz wieder abgefahren hat, man gleich den nächsten Berg über 1000 m in Angriff nimmt oder ihn lieber auf Morgen verschiebt.
Punkt 08:30 zählen wir alle zusammen von 10 runter und dann geht es los, fast wie bei einem Marathon, allerdings deutlich entspannter. In alter Racermanier habe ich mich ziemlich weit vorne einsortiert, aber das war dann doch nicht nötig. Locker und flüssig geht es die ersten Kilometer durch die Küstenebene, parallel zu den bedrohlich aufragenden Bergen. Dann ist bald Schluss mit dem Vorgeplänkel und die Strasse neigt sich mit zunehmendem Winkel nach oben. Bald ist es so steil, das die meisten in stillschweigendem Einvernehmen von den Rädern steigen und schieben. Man kommt mit verschiedensten Leuten ins Gespräch, ich höre mir die Berichte einiger Schweizer über die Tour vom letzten Jahr an, wo ihnen auf dieser Steigung das Wasser auf der Straße zentimeterhoch entgegengelaufen ist. Heute läuft hier nur der Schweiß!
Die Ersten nutzen Brunnen am Straßenrand zum Erfrischen und Auffüllen der Wasservorräte, eine Prozedur die im Laufe der Tour zum wesentlichen Bestandteil der “Überlebensstrategie” werden wird.
Mehr oder weniger durchgängig schiebend geht es bis nach oben, wo einige Kilometer Auf und Ab auf anspruchsvollen, alpin anmutenden Singletrails auf uns warten. An einer verlassenen Almhütte findet sich die nächste Möglichkeit zur Frischwasserversorgung, alle halten an, ich esse Bananen und Kekse bevor es dann wieder zu Tal geht. Ich fahre jetzt gemeinsam mit Peter und Tschengis, zwei Deutschen von der Schweizer Grenze, die mit ihren Open und Salsa Carbon Gravelbikes und wenig Gepäck gut unterwegs sind.
Zusammen mit einigen anderen schrauben wir uns wieder nach unten über die mit fallender Höhe immer besser werdenden Wege und Straßen und lassen es zum Schluss auf den letzten Tornanti auf der Asphaltstraße ins Tal richtig laufen.
Jetzt mal richtig in Gang gekommen ist es natürlich keine Frage mehr, dass weitergefahren wird und nicht viel später sind wir schon im nächsten Anstieg. Dieser ist zwar noch länger bzw. höher als der erste aber dafür durchgängig fahrbar. Peter und Tschengis geben jetzt richtig Gas und wir machen ordentlich Strecke. Der hier vorherrschende Wald spendet uns in der frühnachmittäglichen Hitze noch ausreichend Schatten, so das das Klettern leicht fällt.
Trotzdem kann ich den beiden irgendwann nicht mehr folgen, weil sie einfach zu schnell sind. Im weiteren Verlauf komme ich dann irgendwie mit Jose und Ywon zusammen, die ich dann bis zum Ende der Tour begleiten werde. Die beiden sind Arbeitskollegen aus Montpellier, wobei Jose ursprünglich ein Spanier aus dem Baskenland ist. Ab jetzt werden wir uns multilingual auf Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch verständigen. Da Ywon am kommenden Dienstag um 11:00 wieder am Arbeitsplatz anwesend sein muss haben die beiden den kühnen Plan gefasst, die Tour in 3 Tagen durchzuziehen. Dazu müssen wir heute auf jeden Fall noch bis hinter Florenz kommen. Na gut, jetzt geht es erstmal bergab und dann bis Florenz nur flach, also mal sehen.
Bald zeigt sich, das wir beim Fahren gut harmonieren und wir kommen immer weiter voran. Die Abfahrt geht schon deutlich besser als die erste, das Rad liegt trotz Gepäck satt und stabil und man kann auch so Spaß auf dem Trail haben. Bald ist die Ebene erreicht und in Kolonne geht es Richtung Florenz, mit uns jetzt immer wieder die gleichen Gesichter, die mit vergleichbarer Pace wie wir unterwegs sind.
Mit Beginn der Dunkelheit erreichen wir Florenz, jetzt schon ziemlich runter mit der Power. Der vorgegebene Track führt uns mitten hinein ins historische Zentrum und den größten Trubel. In einer Seitenstraße finden wir noch Platz draußen vor einem Restaurant und führen die dringend benötigten Kalorien zu. Das Essen ist natürlich wieder mal ausgezeichnet und die Stimmung steigt schnell. Hier treffen wir auch Nico, einen jungen Deutschen, der mit unserem Kai bekannt ist, wie sich schnell herausstellt. Nico will heute die Nacht durchfahren, da lehnen wir dann doch dankend ab. Frisch gestärkt durchqueren wir Florenz, überwältigt von den Eindrücken. Dann geht es noch hoch zur Aussichtsterrasse auf der anderen Seite des Arno und ein Stück weiter, bis der Villengürtel hinter uns liegt. In einem kleinen Vorort schlagen wir in einer kleinen Grünanlage unser Nachtlager auf. Ich baue (zum letzten Mal) mein Zelt auf, Jose legt Luftmatratze und Schlafsack auf eine Malerfolie und Ywon macht es sich nur mit Schlafsack auf einer Rettungsdecke gemütlich.
Heute haben wir in knapp 12 Stunden Fahrzeit 167 km und 2942 hm hinter uns gebracht.